«Variation 3aus den 12 Würfelvariationen», 1962
«Zerlegung eines Kreises in 9 Teile von 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 Einheiten», 164
«9 Kreisvariationen mit je 18 Teilen»
(Farben in den Originalabzügen: Gold auf rotem Hintergrund), 1964
«Symmetrische Gruppierung in 7 Einheiten mit denFarben Blau, Grün und Violett», 1967
«Zentralsymmetrischer Architeturgrundriss»
(erster Entwurf aus einer geplanten Holzschnittserie), 1967
«Wechselnde Bewegungen mit je drei Schritten in einer Richtung auf zwölf ineinanderliegenden Quadraten»
(Farbe in den Originalabzügen: Ocker), 1967
««Thema von sieben transparenten Würfeln mit 12 Variationen»
(in einer Mappe zusammen mit 12 typographischen Konstellationen herausgegeben)
(Klischees: Neue Chemigraphie AG, Zürich)», 1962
ZU den Werken von Hans Rudolf Bosshard
Dem skeptischen Betrachter.
Vor Werken der fortschrittlichen konstruktiven Künstler, so weit sie in Ausstellungen schon gezeigt werden, stehen die meisten mit einigem Befremden und sehen nicht den Unterschied zwischen Kunst und «angemalter Geometrie». Selbst den Kunsthistorikern ist die Diskussion von Werken der Gegenwart eine schwere Aufgabe, und sie benötigen alle erdenklichen Hilfen, um überhaupt darüber schreiben zu können, denn auch für sie ist diese Arbeit Frontkämpferei, in der sie sich irren können. Persönliche Kontakte mit den Künstlern sind oft erklärend, belebend, verwirrend; es hält schwer, sich ein Urteil zu bilden und das Spekulative vom Gültigen zu sondern.
lm Atelier.
Es war mir vergönnt, im Atelier des Künstlers durch die letzten Jahre hindurch mitzuerleben, wie die Arbeit an Ölbildern und Holzschnitten voranschritt. Von Anfang an fiel mir auf, dass eine unerbittliche Konsequenz, eine Beschränkung auf wenige klar formulierte und in Skizzen erprobte Probleme, dazu der Mut zum Irrtum die Haltung Bosshards bestimmen. Mit letzter peinlicher Sorgfalt malt er ein Bild zu Ende, an dem er selbst zu zweifeln anfängt. Die fertiggestellte Arbeit hat immer einen anderen Aspekt. Nach dem letzten Arbeitsvorgang wirkt alles anders. Es ist nicht möglich, eine jahrelange Erfahrung und die daraus erwachsende Übung im Planen und Beurteilen in einem kurzen Aufsatz zu beschreiben. Auf den ersten Blick ist nichts verständlich. Auch nicht Rubens oder Vermeer. Und so ist es mit konstruktiver Kunst. Es braucht Geduld.
Es war der freundliche Wunsch des Künstlers, dass ich zu einer Variationenreihe über ein Kreisthema, zu sechs Holzschnitten und einer Themenskizze, einen Text schreibe, der dazu korrespondiere und gleichermassen eingeteilt sei. Beim Versuch, das Gewünschte zu leisten, merkte ich die Schwierigkeiten und erlebte erst recht die Ausmasse der Forderungen Bosshards an sich, als ich sie an mich selbst stellte. Forderungen nach Klarheit, Einheit im Thema und konsequenter stilistischer Behandlung. Ich habe die Aufgabe nicht gemeistert. Wir haben jetzt, da die erste Zusammenarbeit abgeschlossen ist, schon eine weitere vor und freuen uns darauf.
Rechtfertigung der Kunst Bosshards.
Selbst der konservativste Liebhaber der Kunst kann sich vor Bildern Bosshards vergewissern, dass sein Umgang mit geometrischen Formen und wenigen Farben kein beliebiger, wilIkürlicher ist. Alles ist – von der Formensprache bis zur Farbwahl – in ein System geordnet und von einer gleichbleibenden Haltung getragen Es wird also – wie in klassischen Werken – eine Idee von Darstellung gefasst, verwandelt, vergrössert, fugiert, variiert, fragmentiert, komponiert – völlig rücksichtslos gegenüber den Empfehlungswerten des Gefälligen oder des Unterhaltenden – bis ein Bild fertig ist. Dann setzt die Kritik ein; Bosshard nimmt jede Meinung entgegen, selbst die Ablehnung, und übt selbst die schärfste Kritik. Keine einzige seiner Kompositionen ist spekulativ.
Der Lehrer und Autor.
Als Lehrer an der Kunstgewerbeschule und als Autor verschiedener theoretischer Schriften kennt Bosshard die Kunst des Erklärens und Ableitens, er weist sich über Kenntnisse aus, die weit über das hinausgehen, was ein Künstler seinem Publikum schuldig ist.
Nicht über Nacht.
Bosshard ist nicht über Nacht zur konkreten und konstruktiven Kunst gekommen. Er hat – übrigens wie viele seiner grossen Vorbilder, wie Kandinski, Mondrian und Malewitsch – zuerst gegenständlich gemalt und gezeichnet, und zwar jahrelang. In seinem Atelier finden sich unzählige Ölbilder, Zeichnungen und druckgraphische Blätter im expressionistischen Stil, die er selbst einmal als Jugendsünden bezeichnet hat.
Positive Daten über Bosshards Bilder.
Zum Beispiel in den Holzschnitten, die ein Kreisthema verarbeiten, ist eine im Verhältnis zum Kreisdurchmesser stehende Proportionenreihe gefunden, die sich zur Aufteilung der Kreisfläche eignet. Der Kreis wird einmal horizontal, und dann vertikal von links nach rechts in Streifen von gesetzmässig abnehmender Breite geschnitten. Dann werden die Teile komponiert …
Wer ein Bild nach seinem Aufbau erkennt oder erklärt bekommt, freut sich einen Augenblick darüber, dass es «stimmt», und schaut nach, ob die Regel auch wirklich so durchgehalten sei, wie er sie versteht. Dann versucht er vielleicht, das Bild als sichtbar gemachte Regel zu begreifen und erstaunt über das Mehr, das aus der vollen Entfaltung des ausgeführten Bildes zu Tage tritt. Er sieht, wie das Schema hinter der Gesamtwirkung zurückweicht, wie es beginnt, der vom Künstler intendierten Gesamtwirkung als innerer, fast versteckter Halt zu dienen. – Eine ausführliche Erklärung der Entstehung der Variationen über ein Würfelthema legt Bosshard in dieser Nummer selbst vor.
Die Deutung des Bildes ist oft das genaue Gegenteil seines Entstehungsvorgangs, und wir wollen sie nicht – das ist bei konstruktiven Werken eine Gefahr – mit der Wirkung des Bildes konkurrieren lassen. Es muss der Umgang mit dem Werk sein, die anhaltende und immer wieder wiederholte Betrachtung, die es verleiden oder lieb macht.
Hans Jörg Wüger