HEARTBEATS (EXTENDED) II
Bettina Kriegs Arbeiten geben bewusst keine Antworten auf Fragen nach Länge, Anfang oder Ende. Ihre Zeichnungen tragen keine Titel. Sie stellen nichts Konkretes dar, sondern fordern die persönlichen und ungeahnten Vorstellungswelten eines jeden Betrachters heraus.
Die Künstlerin hält uns einen Spiegel vor – ein Suchbild – das auf die eigene Imagination zurückwirft. Lassen wir uns auf die Zeichnungen ein, vermögen wir Organe, Muskelfasern, Schwalben, Buchten, Herztöne, Frequenzen oder Berglandschaften in ihnen zu sehen.
Nicht nur die möglichen Inhalte, sondern auch die ästhetik der Zeichnungen changiert. Einige Blätter erinnern an comicartige Mangas, andere an düstere Radierungen Goyas.
„Zeichnen heißt, die Form entstehen zu lassen – sie zu machen, indem man sie entstehen lässt“, so der französische Philosoph Jean-Luc Nancy in seiner Schrift „Die Lust an der Zeichnung“. Wenn Bettina Krieg zeichnet, geht sie ebenso intuitiv vor. Sie lässt die Linienführung wachsen, Schritt für Schritt, ohne das Ergebnis zu fokussieren. Die Linie wird zur Spur ihrer Konzentration und Offenheit im Entstehungsprozess des Zeichnens. Die Künstlerin korrigiert ihre von Hand gezogenen Linienverläufe nicht, sondern lässt sie so auf dem Papier stehen, wie sie sich eingeschrieben haben. Auf diese Weise entfaltet sich die Zeichnung – sie tritt in Erscheinung.
Bettina Kriegs Arbeiten zeugen von einer unerschöpflichen Neugierde und großen Hingabe für den Akt des Zeichnens, ebenso wie für die menschliche Vorstellungskraft.
Lisa Sintermann (VG Wort)