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Manuelle Holzschnitte : Maschinelle Holzschnitte

 

Holzschneiden, Holzstechen; Holzschnitzen: das Holz wird aufgerissen, zerstört, seine Oberfläche verändert, zu einem bestimmten Zweck umgestaltet: Holzsägen, Holzfräsen, Holzbohren.

Holzschneider, Holzstecher; Holzschnitzer: Künstler-Handwerker, für die das Holz ein Werkstoff zur Verwirklichung ihrer Bildträume ist: Handwerker-Künstler, für die Holz ein rationaler Werkstoff ist: Säger, Zimmermann, Schreiner, Drechsler, Wagner, Küfer (zugegeben, teilweise e ausgestorbene Handwerkerberufe).

Man sagt, der Holzschnitt sei am Ende, er genüge nicht mehr, den pluralistischen Ansprüchen der heutigen Kunst Ausdruck zu geben; er sei – als älteste grafische Technik – überholt, zu wenig wandlungsfähig, als ob es auf das Holz ankäme und nicht auf den Künstler mit seiner Kraft der Bildvorstellung, die allein das Kunstwerk schafft.

Man glaubt, auf Holz als Werk- und Baustoff verzichten und ihn durch Eisen, Glas, Stahl, Aluminium, Beton, Kunststoff ersetzen zu können – und da merkt man plötzlich, dass mit dem Verzicht auf das Naturgewachsene eine Verarmung, eine Fühllosigkeit über uns kommt, die auf unsere Seelen tödlich wirkt, und uns verloren macht.

? Holz als ein romantisches Relikt vergangener Zeiten ? (Erinnerung an Gotisches wie im 19. Jahrhundert) ? Der Holzschneider in einer Art «Holzgläubigkeit» verfangen ?
? Unfähig, in Linoleum, synthetischem Kautschuk, Celluloid oder PVC (also in zeitgemässen Werkstoffen) seine Bildträume sichtbar und glaubhaft zu machen ?
? Der Künstler als ein der Zeit nicht Vorauseilender – Ahnender – sondern Hinterherhinkender – Könner? – Als ob es auf das PVC (Polyvinylchlorid) ankäme?

Manuelle Bearbeitung des Holzes: mit Dreieck-, Oval- und Fadenstichel, mit Flacheisen, Hohleisen, Geissfuss und Messer; mit dem Druck der Hand oder mit der Schlagkraft des Hammers. – Maschinelle Bearbeitung des Holzes: mit Fräse, Oberfräse, Kehlmaschine, Schleifmaschine, Hobelmaschine; mit der nicht-be-greif-baren Kraft des elektrischen Stroms.

Stahl auf Holz – (im Volksmund:) die Faust aufs Auge –, hart auf weich; Aktives und Passives; aktiv erst durch die menschliche Hand, durch den menschlichen Willen. In jedem Fall: Gewalt, gewaltsame Veränderung. Aber Holz leistet anderen Widerstand als Kunststoff, es ist in seiner Passivität aktiv. Holz gibt, nimmt nicht nur hin, erduldet nicht nur.

Und nun zu den Bildern die paar wenigen Fakten: Die acht maschinellen Holzschnitte folgen einem Rasternetz, das in sich zwei Symmetrieachsen – eine senkrechte und eine waag rechte – enthält. Die Grundform besteht aus zehn senkrechten Streifen in regelmässigen Abständen und zehn waagrechten Streifen, die durch einen grösseren Intervall in zwei gleiche Fünfergruppen geteilt werden (siehe erste Umschlagseite). In den acht Holzschnitten ist nun jeweils ein Teil dieser zwanzig Streifen aus dem Holz herausgeschnitten, und zwar so, dass sich (mit einer Ausnahme) symmetrische Figuren ergeben. Das figurative Thema für alle acht Blätter ist – mehr oder weniger deutlich sichtbar – das H, eine Form, die die gleichen Symmetriequalitäten hat wie das zugrundeliegende Rasternetz. In den einzelnen Bildern kommen folgende Symmetrien vor: Spiegelsymmetrie mit zwei Achsen (Blätter 1, 2, 3 und 6). Spiegelsymmetrie mit einer Achse (Blätter 4 und 8), Zentralsymmetrie mit senkrecht zum Blatt stehender Drehachse (Blatt 7) und Asymmetrie (Blatt 5). Die acht Blätter sind (in der oben abgebildeten Reihenfolge) als Serie gedacht, sollten also zusammen gesehen werden, weshalb sie nicht in Bogen, sondern auf Einzelblättern gedruckt sind.

Zu verdanken habe ich Anstoss, Werkstatt, Maschinen, Material und Mitarbeit Christian Leuthold senior und Christian Leuthold junior.

Die Blätter sind im Sommer 1974 entstanden.

 

Hans Rudolf Bosshard

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