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Hand-Arbeit Linolschnitte von Bettina van Haaren

 

Sowohl in der Zeichnung, als auch in der Druckgraphik, gleichwohl ob in Holz oder Linol, sind die entstandenen Leerflächen ebenso relevant wie die stehen gelassenen Linien. Aber anders als in der Zeichnung sind diese Leerflächen nicht da, in dem sie «einfach» frei gelassen werden, sondern sie müssen in der Tat erarbeitet werden. Das bestehende Material muss weggeschnitten, muss entfernt werden, und es bleiben die Linien und eventuell auch die Flächen stehen, die gleichsam für die Formulierung der künstlerischen Aussage verantwortlich sind. Im Gegensatz zu der Technik des Holzschnittes können beim Linolschnitt bewegtere, schwingendere Linien erzeugt werden.
In den Blättern Bettina van Haarens sind es indrucksvolle und ausdrucksstarke Linien, die miteinander kommunizieren und den Dialog bestimmen. Sie steht allein, die Linie, und dann begegnet sie einer anderen, sodass an einigen Stellen Raster oder Gewebe, Vernetzungen und Verdichtungen entstehen. Wie Inseln in einem weiten Raum muten diese dichten Liniengeflechte an, die jedoch auf Grund der ihnen eigenen Präsenz die umgebenden Leerflächen existentiell benötigen. An einigen Stellen ist die individuelle Linie dominant, an anderen Stellen bilden mehrere Linien ein durchaus räumlich und dreidimensional wirkendes Gebilde – eben «ge-bildet».
Im inhaltlichen Mittelpunkt dieser künstlerischen Arbeiten steht der Mensch – auch SIE selbst in der Selbstbetrachtung und Selbstreflexion und das Verhältnis zu Elementen der umgebenden Natur in einer bisweilen ganz zarten, zaghaften Annäherung. Bettina van Haaren formuliert ihre Gedanken in fragmentarischen Andeutungen; sie reduziert die Mittel, hier die Linien auf das Wesentliche – nicht die ausführliche und naturalistische Narration ist ihr Anliegen, sondern die fragmentarische Anwesenheit wichtiger Details als formulierende Elemente: Hand, Kopf, Haar und Blatt und die Begegnung dieser Elemente.
In den formalen Vernetzungen der Linien kann inhaltlich der Eindruck des Gefangenseins, des Festhaltens entstehen, aber auch des Kontaktes zwischen Hand und Gegenstand oder der Berührung des Gesichtes durch die Haare. Wann entsteht aus einer Begegnung, einer Berührung das Gefühl des Eingesperrt-Seins oder der Unfreiheit, mag diese Begegnung mit sich selbst – gefangen in den eigenen Gedanken – mit einem anderen Menschen oder mit einem stellvertretenden Gegenstand geschehen?
Die Wahrnehmung des eigenen Körpers, die wache Beobachtung der Umgebung und die genaue Analyse all dessen ist die Voraussetzung für diese künstlerische Arbeit.
In den Blättern Bettina van Haarens verdichtet sich die Ebene der handwerklichen Herstellung mit der inhaltlichen Auseinandersetzung. Die durch Reduktion erreichte Konzentration auf das Wesentliche lässt den Betrachtenden Raum, die entstandene Leere zwischen den Linien selbst zu füllen oder sich der Führung der Linien zu Verdichtung und Vernetzung anzuvertrauen.

 

Dr. Ellen Markgraf, Bad Arolsen, im Dezember 2001

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