Rudolf Küenzi beschäftigt sich seit langer Zeit intensiv mit dem Holzschnitt, neben der Malerei ist dies sein bedeutendstes Ausdrucksmittel. In beiden Techniken hat er sich vor allem der Farbe zugewendet. Entstanden sind daher – in elaborierter Technik und in oft bis zu sechs Druckplatten – Farbholzschnitte. Speziell für diese Mappe hat Rudolf Küenzi nun aber vornehmlich schwarz-weisse Holzschnitte geschaffen. Der totale Verzicht auf Farben ist ihm, dem so ganz in Farben Lebenden, schwergefallen, war eigentliche Herausforderung. Bedeutet hat dies vorerst, sich einen weiteren Schritt vom geliebten Gegenstand, der Natur. zu entfernen, das Sinnlichste und Lebendigste in schwieriger und schwerer Technik zu beschwören. Der schwarz-weisse Holzschnitt scheint vorerst tatsächlich denkbar ungünstig zur Darstellung von Blumenstilleben. Dem scheinbar profanen und abgegriffenen Thema aber begegnet sich's wohl am mutigsten noch in ungewöhnlicher Technik. Wo uns diesbezüglich Pastelle kaum mehr reizen, mögen Holzschnitte neue Wege zum Alten weisen.
Nicht in der Abstraktion selbst. sondern in zum Abstrakten neigenden Techniken will der Künstler zu neuen Aussagen kommen. Er ringt der Technik so viel wie möglich ab, versucht dem Kunstwerk der Natur im eigenen Schöpfen nach- und nahezukommen. Dass er sich bewusst aus so grosser Ferne seinem Thema nähert, ist nicht allein die Angst vor dem Biederen. sondern zugleich der tiefe Respekt und Glaube gegenüber der Natur, der er nur im höchsten Anspruch und unter schwierigen Voraussetzungen gerecht zu werden glaubt. Der langsame Entstehungsprozess des Holzschnittes kommt Rudolf Küenzi gelegen, die Ölmalerei geht ihm oft zu schnell von der Hand.
Der hohe Anspruch bedeutet ihm indes auch hartes Ringen. lm Einband der Mappe stellt er sich dar: Als «Maler im Atelier» steht er verloren zwischen zwei Leinwänden, einer bemalten und einer gähnend leeren. Als Künstler ist ihm das Umsetzen – von Natur zu Abbild, von Vorlage zu Holzplatte – zwingend aufgetragen, selbstverständlich, vertraut und wird trotzdem zur Qual. Wie kann ich ausreichend darstellen, was ich sehe, wie kann ich ohne Farben die Pracht von Blumen sichtbar machen? Die Blätter dieser Mappe sprechen nicht zuletzt über das künstlerische Schaffen selbst, stellen das Bildnis-Machen in Frage, zeigen das Mittelbare der Kunst, wie es uns gerade im Holzschnitt augenscheinlich wird. Trotzdem sieht gerade Rudolf Küenzi die Welt, seine Umgebung in Haus und Garten unwiderruflich als Künstler. Bild um Bild, gar gerahmt als Fensterausschnitt oder Spiegelansicht, tritt ein. wird zur kleinen Welt für sich. Das Abbild aber will schliesslich den Betrachter zurückführen zum Anblick der Natur. zur Natur selbst, dies indes ohne illusionistisches Hell-Dunkel oder plastische Werte, sondern in kunstgewollter Flächigkeit. Trotz berückender Technik kommt nicht der Kunst selbst, sondern dem Thema der Vorrang zu. Steht im ersten Blatt «Atelier» noch die Kunst – als Bild im Bild – im Vordergrund, konzentriert sich das letzte Blatt. «Ateliersträusse», unmittelbar auf die Blumen selbst, die vorher noch als Inventarstück und Malsujet zur Seite gerückt waren.
Rudolf Küenzis Interesse wendet sich ganz der Natur zu. Mit der diesbezüglichen thematischen Enggleisigkeit tut er sich oft selber schwer, findet dann aber – unwiderruflich erneut – zu seinen alten Motiven zurück.
lm «Interieur mit Jazz-Plakat» kommt es nun zur Begegnung zwischen Naturgewolltem und Menschgewolltem. Organische Formen (von Blumen) begegnen geometrischen (der Umgebung). Der Hinweis auf den Jazz erinnert an menschliche Kreativität, die sich an jener der Natur messen mag. Das Dekorative der Umgebung (in der Vorlage handelt es sich um Geschenkpapier) tritt dem Blühenden entgegen. Darin finden wir uns an gewisse Motive von Samuel Buri erinnert, der Blumensträusse mit gemusterten Tapeten oder Stoffen «konkurrieren» lässt.
Der einzige farbige Holzschnitt der Serie, (Stilleben mit Blumen›. scheint Vermisstes rauschhaft nachholen zu wollen. Noch intensiver als auf früheren Blättern begegnen uns hier die Farben, verloren haben sich malerische Qualitäten zugunsten von entschiedener Formgebung. Die Zuwendung zum schwarz-weissen Holzschnitt mag zu dieser Reinigung der Form verholfen haben. Umgekehrt wirken die schwarz-
weissen Arbeiten erstaunlich zeichnerisch, erinnern an Tuschzeichnungen, bemühen sich um «Farbe». Rudolf Küenzi glaubt nicht an das bloss Dunkle von Schwarz. Mit künstlerischem Geschick und langer Erfahrung als Holzschneider gelingt es ihm, im Unfarbigen «Farbiges» zu bringen. Dies wohl ist ihm auch die Natur selbst: Farbe, Zuversicht vor eher dunklem Hintergrund.
Christoph Vögele
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